Schlachtefest in den 1930er Jahren.

 Aus der Sicht des Hausschlachters Hermann Winnemuth.
 

 In den Wintermonaten von 1934 bis 1971 war Hermann Winnemuth in Bühren als Hausschlachter tätig.

 

Aufgeschrieben und bearbeitet von Georg Hoffmann.

Die Fotos stammen aus der Fotoausstellung anlässlich des Jubiläums

„1025 Jahre Bühren“ und wurden mir von vielen Einwohnern zur Verfügung gestellt.

 

1934 begann ich die Lehre als Hausschlachter bei meinem Vater August. Vorher übte ich schon immer das Eindrücken. Dazu mischte ich Roggenschrot und Wasser zu einem Brei, als Ersatz für die Wurstmasse zusammen.

Traditionell wurde kurz vor Weihnachten beim Schweinehirt Friederich Schmidt ein Eber geschlachtet. 1936 waren das Schlachten und Verarbeiten des Ebers mein Gesellenstück. Nach der bestandenen Prüfung habe ich mich als Hausschlachter selbstständig gemacht.

Ein Schlachtetag in meiner Lehrzeit.

Früh um ½ 8 Uhr gingen wir, mein Vater und ich, zu den Leuten, die uns zum Schlachten bestellt hatten. Beide schnallten wir den Gurt mit der Messerscheide und dem Stahl um. Ich musste den Dorn, den Holzklöpper und die Glocken tragen. Vater nahm das Krummholz und das Hackebeil. Bei den Leuten angekommen, war der erste Weg zum Brühkessel, ob das Wasser auch kochte. Vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn wurde erst einmal Kaffee getrunken. Dazu gab es meist Luffen und Zwetschenmus.

So um 8:00 Uhr ging dann das Schlachten los. Das zu schlachtende Schwein wurde im Stalle am linken Hinterbein angebunden und herausgeführt. Am Schlachteplatz war gewöhnlich ein Ring an der Wand, an dem das Schein angebunden wurde. Ich musste dem Schwein den Dorn vor den Kopf halten und mein Vater schlug mit dem Klöpper auf den bolzen und das Schein fiel um und war betäubt.

(Der Bolzenschußaparat kam erst nach dem 2. Weltkrieg auf) Bevor mein Vater zum Herzstich ansetzte, musste ich das untere Vorderbein packen und gut festhalten. Das Blut wurde in einer Schüssel oder kleinen Molle (Stechmolle) aufgefangen und meist durch die Bäuerin in einem Eimer kräftig verrührt und von Blutgerinnsel befreit.

 

Alle starken Männer waren nötig, um das tote Schwein in den „Brennetrog“ zu legen.

Mit 3-4 Eimer 70 Grad heißem Wasser überbrühte (abbrennen) mein Vater das Schwein und versuchte danach, ob die Haare lose waren. Konnte er die Haare über dem Rücken ausrupfen, die als Borsten gesammelt wurden, so kratzten die Helfer am Bauch, Beinen, Kopf und Ohren mit den Glocke kräftig, bis alle Haare vom Schwein entfernt waren. Für das Abbrennen brauchte man ein gutes Gefühl. Durch zu heißes Wasser wurde die Haut verbrüh, dadurch ließen sich nicht die Haare abkratzen und die Schwarte zerriss. Am Schluß entfernte der Schlachter die Klauen mit dem „Glockenhaken“.

Das Schwein kam auf den Schlachtetisch und wurde mit einem Eimer kaltem Wasser übergossen und mit dem Schlachtemesser noch stehen gebliebene Haare entfernt. Pfötchen putzen war Lehrlingsarbeit. Mein Vater putzte den Kopf, schnitt die Ohrenmuscheln heraus und entfernte die Augen. Bauch und Rücken mussten die Hilfen putzen. War das Schwein sauber, wurde es an den Wandhaken gehängt. Dazu hängte der Schlachter das „Krummholz“ in die Sehnen der Hinterbeine ein.

Im nächsten Schritt konnten die Flomen aus der Bauchhöhle entnommen und auf ein Kuchenblech zum Auskühlen an einen kühlen Ort gestellt werden.

Nach dem Auftrennen des Brustkorbes entnahm, mein Vater die Lunge mit Herz und Zunge.

Im kalten Wasser erfolgte die anschließende Wässerung, zusammen mit dem Kopf, Backenstücke, sowie Bauch- und Kesselfleischstücken. Die abgetrennten Vorderbeine kamen zusammen mit den Schnauzen und Ohren in die „Stechmolle“.

 

Nach dieser anstrengenden Arbeit kam der Schlachtespruch zur Anwendung:

„Wenn das Schwein am Haken hängt, wird zum erstenmal eingeschenkt!“

Dabei ging die Schnapsflasche und das Glas durch die Reihe der Helfer.

um 1930

August Winnemuth

mit Lehrling Robert Beuermann

aus Mielenhausen

Jetzt folgte das Aufschneiden des Bauches und das Herausnehmen der Därme, die der Schlachter in der großen Molle ablegte.

Arnold Brüggemann Adolf Korf

Im nächsten Schritt konnten die Flomen aus der Bauchhöhle entnommen und auf ein Kuchenblech zum Auskühlen an einen kühlen Ort gestellt werden.

Nach dem Auftrennen des Brustkorbes entnahm, mein Vater die Lunge mit Herz und Zunge.

Im kalten Wasser erfolgte die anschließende Wässerung, zusammen mit dem Kopf, Backenstücke, sowie Bauch- und Kesselfleischstücken. Die abgetrennten Vorderbeine kamen zusammen mit den Schnauzen und Ohren in die „Stechmolle“.

Beim Auswaschen des Kopfes und des „Steeckestücke“.

1934/35
bei August Prell, Robert Pothast, Adolf Korf

Jetzt folgte die schlechteste Arbeit, die Därme wurden auseinander getrennt und vom Kot befreit. Dazu wurden die Därme „links gemacht“ und im „Brühtrog“ in kaltem Wasser mit einem Reiserbesen durch einen Helfer kurz „gefegt“. Die 2. und 3. Tour wurde mit handwarmem Wasser „gefegt“.

Danach wurden die Därme mit Salz abgerieben und mit lauwarmem Wasser nachgespült. Zum Schluß entschleimte der Schlachter die Kranzdärme mit dem Zungenknochen eines Rindes. Das entschleimen des Magen und Engebutte erfolgte ebenfalls im heißen Wasser. Durch einen Gänsekiel blies mein Vater die zuvor entlehrte Blase mit dem Munde auf. Zwischenzeitlich traf der Fleisch- und Trichinenbeschauer ein, zu der Zeit waren das Robert Rinke oder Wilhelm Detmer, ein und führte seine Untersuchungen durch. Nach der Bestätigung, „Alles gesund“, konnte auf das gute Gelingen noch einmal eingeschüttet werden.

Waren die Arbeiten draußen fertig, gab es Frühstück. Sollte im Laufe des Jahres die Wurst bis zu diesem Schlachten nicht mehr gereicht haben, gab es die Leber von dem heutigen geschlachteten Schwein und Salzkartoffeln mit viel Lebersoße.

 

Nach dem Frühstück gingen mein Vater und ich nach Hause und zogen uns um. In leichten Schuhen, Manschesterhose, Schlachterkittel und einer weiße Schürze ging die Arbeit weiter.

Mitte der 1920iger Jahre
Bei Heinrich Winnemuth Nitzgrund 15
v.l. Albert Dörhage, August Winnemuth, Adele Lösekrug, Heinrich Winnemuth
Hinten die Kiepe mit der Wurstmaschine

In der Zeit, da wir uns umzogen, mussten die Helfer die Wurstmaschine und weitere Werkzeuge vom vorherigem Schlachtetag holen. Die Maschine wurde in einer Kiepe getragen, Kinkelbrett und Wurstkelle nahm man in die Hand.

Jetzt ging die Arbeit im Hause weiter. Dazu kam der Schlachtetisch in die Stube und die Schweinehälften wurde reingeholt. Nach Absprache mit der Schlachtefamilie wurde zerlegt. Das Fleisch, zur Herstellung von Blut- und Leberwurst sowie Sülze und Weckewurst wurde in dem großen Wasserkessel „eingewaschen“ und 1-1½ Stunden gekocht. Als nächstes trennten wir die Rippen vom Rückrad, das Rückrad lösten wir im ganzen heraus, was später zerhackt und eingesalzen wurde.

Es folgte das abtrennen der Pfötchen und des Eisbein so wie das auslösen von Rippen, Röhrenknochen und Vorderblatt. Die Vorderschinken, sowie die „Braunen Streifen“, (Kotelettstränge ohne Knochen) und alles magere Fleisch. Das durchwachsene Fleisch kam mit zur Mettwurst. Wollten die Leute nur einen oder gar keinen Schinken behalten, verarbeiteten wir die Schinken mit zur Mettwurst. Den durchwachsenen Speck (Sauerkrautriemen) behielten wir ebenfalls zurück. Der fette Speck konnte nicht hoch genug sein. Aus den Schinken lösten wir die Knochen heraus. Der Schinken musste sehr sorgsam sauber geschnitten werden, damit nicht überhängendes Fleisch eine Brutstätte für  Fliegenmaden im Frühjahr war. Zu diesem Zeitpunkt konnten die Helfer die Wurstmaschine (Fleischwolf) auf dem Schlachtetisch befestigen.

Das Fleisch, dass Mettwurst werden soll wurde 3 mal durchgedreht, erst durch die grobe Scheibe, dann wurde mit Salz und Pfeffer, Salpeter, eine priese Zucker und Senfkörner gewürzt. Ein Teil von der groben Masse wurde für Kopf- und Schwartenwurst abgenommen. Diese Mettwurstmasse wurde noch 2x durch die mittlere Scheibe gedreht.

Die getrockneten Flomenhäute konnten zu diesem Zeitpunkt abgezogenen, ausgelegt und flaschenförmig geschnitten werden. Die Hausfrau musste die Häute zusammen nähen. Hier hineindrückten wir die Mettwurstmasse. Es folgte das einsalzen von Speck, Schinken und der kleingehakten Knochen im „kleinen Brühtrog“. Das 2 mal durchgedrehte Mett konnte jetzt in die Flomenhäute und in Kalbsblasen mit der Hand durch einen „Wurstbügel“ gestopft werden. Auch verwendeten wir zum Befüllen die  Kranz- und Mitteldärme.
Nach dem Eindrücken der Mettwurst und Bregenwurst tranken wir zwischen 2 und ½ 3 Uhr Kaffee. Dazu gab es  Zucker- Streusel- oder auch mal Schmandkuchen.
In zwischen mußte das Fleisch im Kessel gut kochen. Konnte man mit dem Finger durch die Schwarte stechen war das Fleisch weich. Es wurde in Mollen zum Abkühlen gelegt, damit man die Schwarte besser abziehen konnte. Der Kopf musste noch eine ½ Stunde länger kochen, bis sich die Backenknochen lösten, dann war das Kopffleisch auch weich. Die Schwarten wurden sofort im heißen Zustand 2 mal durch die kleine Scheibe gedreht.

Als nächste Schritt folgte das Einteilen des gekochten Fleisches für die Wurstsorten.

Die Fettenstücke für Blutwurst, schnitten die Helfer in „Kinkel“. (kleine Würfel) Zur Leberwurst verwendeten wir das durchwachsene Bauchfleisch, Leber und Zwiebeln Salz Pfeffer Nelkenpfeffer Muskat und Majoran.

Für die Weckewurst werden die durchbluteten Stücke wie Lunge und „Weckewerk“ verarbeitet. Jetzt mussten wir schon an das Abendbrot denken. Dafür wurde eine große Schüssel mit Kesselfleisch zurecht geschnitten, dazu kochte die Hausfrau Sauerkraut. Als nächstes stopften wir die Blutwurst ein, die dann noch 2 Stunden im Kessel kochen musste.

Blutwurst und Leberwurst wurden zum Teil in Büchsen oder Gläser gefüllt. Beim Eindrücken der Blutwurst durfte noch einmal kräftig dazwischen getrunken werden. (Schnaps)

In den Magen und Butte (Blinddarm) kam je eine halbe Zunge. Herz und Nieren. Sie wurden dazu grob geschnitten und mit der anderen Blutwurstmasse eingedrückt,

1969
Hartmut Dettmar Herrmann Winnemuth

Den Kindern habe ich oft eine kleine Wurst „angemessen“. Wer den Mund am größten aufmachen konnte bekam die größte „Kinderwurst“. Mit dem Blutfinger habe ich dabei über beide Backen und Kinn ein roter Kranz gezogen.

War die Blutwurst eingefüllt, musste diese im Siedekessel zum Kochen gebracht werden. Diese Arbeit übernahm meist die Oma, sie musste die Würste bis zum Kochen  immer übergießen. Dabei mußten die Würste mit einer „Prickegabel“ gestochen werde, damit die Luft entweiche konnte. Nach 20 Min. waren die kleinen und mittleren Blutwürste gut. Der dicke Magen, die Blase und der Ochsenbutten mussten noch 2 weitere Stunden kochen. Nach dem Abschöpfen des Wurstfett, durch die Kochfrau, konnte die Leberwurst in den Kessel. Die nur 15-20 Min. ziehen durfte. In der Zwischenzeit mußte die Hilfe die Schwarten und Kopfwurst durchdrehen. Schwartenwurst kam meist in Gläser oder Büchsen. Wenn Sülze auf dem Wunschzettel stand, wurde die noch vor der Kopfwurst mitgemacht. Denn die konnte man mit der Leberwurst kochen.

 

Jetzt war das Durchdrehen der Flomen durch die grobe Scheibe an der Reihe. Im Anschluß folgte die Weckewurst. Der Luffen oder Wecken durften nicht vor der Schlachtemasse durchgelassen werden. Als letztes drückten wir die Kopfwurst in Kalbsblasen, Stracken, Rinderdärmen und Kranzdärmen ein. Nun ging es dem Ende zu ½ 6- 6 Uhr war der Schlachtetag überstanden.  Jetzt kamen die ersten Schlachtegäste (Woshoppengäste) zum Abendessen. Die Hausfrau tafelte dazu Schlachtesuppe mit kleinen Gehaktesklößen, Sauerkraut und Kesselfleisch Knochenfleisch mit Mehrrettich, als Nachtisch meist Äpfelmuss oder Kürbis auf. Auch gab es öfters Backobst oder Apelstücke. Nach dem Essen habe ich mich dann schnell nach Hause gemacht, schnell die Messer abgezogen, damit diese am nächsten Tag wieder gut scharf waren. Danach ging ich noch 1 oder 2 Stunden in den Tropp. (Spinnstube)

 

im Dezember 2001
Hermann Winnemuth
Tiestraße 18
37127 Bühren